Modifikation eines Tonbandgerätes zum Röhrenkompressor – Ein Experiment
#1
Mein Traum war es bisher das kleine "Stompology" Homerecording-Studio um einen "echten" Röhrenkompressor zu bereichern. 

Neugierig wurde ich, als ich vor längerer Zeit einemal mit der Aufnahmeautomatik eines Transistor-Tonbandgerätes aufgenommen hatte. Es war eines dieser Mini-Geräte von Uher; ich meine es war ein Uher Report. Die Schlagzeugaufnahme klang so, als hätte man einen Tonstudiokompressor falsch eingestellt. 

Das freute mich. Denn so hatte ich die Idee mit einer passend gemachten Automatik aufzunehmen und damit eine manchmal erwünschte "sanfte" Begrenzung des Dynamikbereiches zu erzeugen. Und wie würde das erst klingen und funktionieren, wenn man das mit einer Automatik eines Röhrentonbandgerätes anstellen könnte?

Ohne die Hilfe eines sehr erfahrenen Technikers wäre es nicht gegangen. Jetzt hatte ich diese Hilfe und ich hoffe, ich habe die technischen Erklärungen (von denen ich nicht die Bohne kapiere) richtig in meinem Artikel wiedergegeben.

Hier ist der Bericht. Vielleich auch Interessant für diejenigen, die nicht selber Musik machen und aufnehmen:

https://stompology.org/2024/04/20/selbst...mpressors/

Viele Grüße aus Kiel

Christian
Drummer machen Fehler, die meistens laut sind. www.stompology.org
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#2
Ein wirklich interessanter Bericht.

ich kann Dich wirklich mehr als gut verstehen.
So sehr ich meine Fender FMs (Transistor Amps ) liebe und immer geliebt habe, nichts kommt an meinem
alten VOX AC 50 Röhre vom Klang her heran. - Dieser "trudelnde" Röhrensound ist mit keinem DSP zu simulieren.

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" Der erste Schluck aus dem Glas der Wissenschaft macht Sie zu einem Atheisten,
aber Gott erwartet Sie am Boden des Glases. "

(Werner Heisenberg)


Meine Recorder wurden gefertigt in: Regensdorf, Löffingen, Hösbach und Frankfurt

Gruß
Ralf
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#3
Vielen Dank für die Rückmeldung, Ralf!

Inzwischen sind dem Artikel auch einige genauere technische Angaben zum Umbau beigefügt.

Viele Grüße

Christian
PS. Ich hatte einen Vox AC 30. In den 80er verkauft, weil ja irgendwie unmodern. Das bedaure ich heute noch.
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#4
Hallo Christian,
ich bin wieder einmal fasziniert von deinen Ideen.
Mit einfachen Mitteln einen preiswerten Röhrenkompressor gezaubert, Hut ab.
Die Grundig-Beschreibung zur Wirkungsweise der Automatik des TK19 ist sehr detailliert ausgeführt; ist das von dir verwendete Magnetophon Automatik ähnlich aufgebaut?

Gruß Jan
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#5
Hallo Jan,

Danke Dir! Zum Magnetophon Automatik II habe ich leider keine Beschreibungen der Funktionsweise der Automatik gefunden. Ich dachte mir, dass es sehr ähnlich der Grundig Automatik funktioniert. Einfach gekauft aus Neugierde und ausprobiert. Zunächst habe ich eine CD damit aufgenommen und nur mit den Ohren zum Grundig verglichen. Das war schon nach meinem Eindruck sehr gut bis noch besser. Ich denke, es wäre auch mit einem Grundig Gerät (eben dem Tk 19 Automatik) gut geworden. Das Telefunken Gerät lässt sich jedoch gut umbauen für die beschriebenen Zwecke als "stand alone Kompressor".

Das Telefunken Automatik II mit seiner Röhrentechnik wird wohl eines der letzten Geräte von Telefunken aus dem niedrigpreisigen Amateurbereich sein, dass noch mit schweren und robusten Bauelementen und Röhrentechnik produziert wurde. Danach kamen dann die etwas weniger stabilen Geräte für den Heimbedarf (höflich gesagt).

Ich würde mich sehr freuen, wenn hier jemand etwas zu dem Gerät "Telefunken Magnetophon Automatic II" beisteueren kann. Mir gefällt die konsequente Reduzierung auf das notwendigste bei guter Funktion. Das ist ja auch eine Kunst. :-)

Viele Grüße
Christian
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#6
(21.04.2024, 16:05)stompology schrieb: Hier ist der Bericht. Vielleich auch Interessant für diejenigen, die nicht selber Musik machen und aufnehmen:

https://stompology.org/2024/04/20/selbst...mpressors/

Viele Grüße aus Kiel

Christian

interessant fand ich den Bericht schon, ich habe mir aber bestimmt zehn mal die Beispielaufnahme angehört, und bin etwas ratlos. Als Nicht Musiker höre ich da nur eine sehr schlechte dumpf klingende Aufnahme, wie ich sie von den billigeren Mono Tonbandgeräten früherer Zeiten kenne. Es fällt mir schwer, da irgendwas von den Theorien rauszuhören, die vorher in dem Bericht sehr gut dargelegt worden sind.

Bei Grundig kann ich mich noch erinnern, dass da verschiedene Geräte eine umschaltbare Automatik "Sprache/Musik" hatten. Umgeschaltet wurde da die Reaktionsgeschwindigkeit, wenn der Eingangspegel von laut nach leise wechselt. Bei Sprache wurde sozusagen sofort wieder "aufgezogen", bei Musik hielt die Automatik die niedrige Aussteuerung eine längere Zeit, so dass es zumindest bei normaler Unterhaltungsmusik kein "Pumpen" gab.

Gruß Frank
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#7
Hallo Frank,

vielen Dank für Deine Anmerkungen und das genaue Lesen und Hören.

Möglicherweise hängen die von Dir beschriebene Ratlosigkeit und der Höreindruck damit zusammen, dass ich zwar instandgesetzte aber doch Amateurtechnik der 50er/60er Jahre für den Versuch verwendet habe. Zum Vergleich wäre eine zweite Aufnahme ohne den "Kompressor" natürlich optimal gewesen.

Viele Grüße aus Kiel

Christian
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#8
So, nur habe ich endlich die Gelegenheit gehabt das modifizierte Gerät in einer Produktion auszuprobieren.
Das Ergebniss habe ich in den Artikel mit einem Audio unter "Gesangsspur einer Produktion" eingefügt.

Ein Audio mit dem unbearbeiteten Signal aus dem zum Kompressor umgebauten Gerätes ist im Artikel zu finden.

https://stompology.org/2024/04/20/selbst...mpressors/

Das modifizierte Röhren-Gerät ist für mich ein vollwertiges Werkzeug bei der Aufnahme von Gesang. Es hat sich gelohnt, meine ich. Plug and play. Einfacher und wirkungsvoller geht es nicht für den Einzelkämpfer im "Home-Studio".

Viele Grüße

Christian
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#9
Hallo Christian,

ich kann dir leider überhaupt nicht folgen.
In deinem zweiten Audio klingt die Gesangsstimme über die Zeit ziemlich konstant laut. Wie hat sie denn vor der Kompression geklungen? Dein erstes Audio funktioniert nicht, es bringt nur Stille.

Generell: Eine Aussteuerungsautomatik ist in dem Sinne kein Kompressor. Sie nimmt ab einem bestimmten Pegel die Verstärkung zurück, die Verstärkung steigt aber danach nur sehr langsam wieder an. Erst nach der sog. Erholungszeit ist sie wieder auf dem ursprünglichen Niveau (sofern nicht zwischenzeitlich neue starke Signale kommen!). Die Erholungszeit beträgt bei dem Grundig TK 19 und 23 etwa 15 Minuten! Das magnetophon automatic I und II kenne ich nicht persönlich, deren Erholungszeit soll ziemlich kurz sein*, aber so kurz dass man sie als Kompressor ansehen kann, ist sie ganz bestimmt nicht.

Von einer Kompression der Dynamik kann daher nur über die Gesamtdauer der Aufnahme gepsrochen werden. Ziel dieser Mimik war ja, Übersteuerungen zu vermeiden.

In dem von dir gezeigten alten Grundig-Artikel ist das alles ja sehr schön beschrieben.

* Der Vorgänger Mag. automatic I wurde 1963 bei einem Test als unbrauchbar kritisiert, weil mit der Automatic keine akzeptablen Aufnahmen klassischer Musik möglich sind: Pianostellen werden zu schnell hochgeregelt.

VG Stefan
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#10
Hallo Stefan,

die erste Versuchsaufnahme ist als wav Datei im Artikel zu hören (Rumgedaddel mit „Lola). Keine Ahnung, warum sie nicht abspielbereit ist. Bei mir geht es auf zwei verschiedenen Rechnern und dem Handy problemlos.

Vielen Dank für Deine Anmerkungen!

Dann funktioniert eine Automatik zunächst als Pegelbegrenzer zur Unterdrückung von Übersteuerungen. Richtig?
Im letzten Absatz teilst Du mit, dass die von Dir beschriebene Automatik für das Lautmachen einer leisen Pianostelle kritisiert wurde. Das impliziert ja, das nicht nur zu laute Signale „gebremst“ werden, sondern leise auch angehoben werden können? Oder irre ich mich?

Du hast völlig Recht: In der Klassischen Musik wäre es keine gute Idee das Laute leiser zu machen und das Leise laut zu machen.

Du schreibst weiter, dass die von Dir gehörte Aufnahme (Gesangsspur) gleichmäßig laut klingt. Das genau will ich ja erreichen! Es ist ein R&B Song. Gute Sänger können das auch ohne „rumschrauben“. Bei mir sind Silben oft zu laut und andere zu leise. Daher habe ich als Mittel der Wahl einen digitalen Kompressor nachträglich verwendet. So wie nahezu alle Leute, die heutzutage „Pop Musik“ aufnehmen.

Das digitale Komprimieren mag ich aber nicht. Die Testaufnahme mit dem angeschlossenen „wie-auch-immer-man-es-nennen-will-Gerät“ bedarf keiner Nachbearbeitung mittels eines digitalen Kompressors. Der Gesang setzt sich im Mix so wie sie ist durch. So betrachtet hat das Gerät „wie-auch-immer-man-es-nennen-will“ genau das gemacht, was ich will und es ersetzt die digitale Nachbearbeitung mittels eines Kompressor-Tools in der Aufnahmesoftware. Lediglich die Klangregelung muss noch zum Einsatz kommen.

Offenbar passiert bei Aufnehmen mit dem….(nein, ich nenne es jetzt nicht Kom…) modifizierten Billig-Mono-Automatik-Gerät etwas, was sich wie (!) ein Kompressor auswirkt.

Mehr weiß ich auch nicht. Beziehungsweise meine Ohren hören etwas, dessen Ursache ich als Technikunkundiger nicht hinreichend für Techniker belegen kann.

Nochmals Dank, auch für den Hinweis auf die schockierend lange „Erholungszeit“. Wirklich 15 Minuten? Die Stelle konnte ich in der Grundig-Beschreibung nicht (wieder-) finden.

Ich wünsche ein schönes Wochenende und
viele Grüße
Christian
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#11
Hallo Christian

"Dann funktioniert eine Automatik zunächst als Pegelbegrenzer zur Unterdrückung von Übersteuerungen. Richtig?"
- Richtig. Die Regelschaltung regelt bei Eintreffen eines lauten Signals die zunächst hohe Verstärkung(sfaktor) des Verstärker so herab, dass gerade Vollaussteuerung erreicht wird. Idealerweise tut sie das vor Aufnahmebeginn, indem man vor dem Start die lauteste Stelle anspielt.

Dieser Verstärkungsgrad BLEIBT dann ERSTMAL so (es sei denn, eine noch lautere Passage kommt, dann regelt sie noch weiter herunter). Die Verstärkung wächst dann ganz langsam wieder an, bis nach der "Erholungszeit" der ursprüngliche Verstärkungsgrad wieder erreicht ist. Bei Grundig TK 23 sind das, wie gesagt, etwa 15 Minuten. Die Konstrukteure gingen nämlich davon aus, dass praktisch in keinem Musikstück eine längere leise Passage vorkommt.
Die lange Zeitkonstante hat sich Grundig auch durchaus etwas kosten lassen, in Form eines 10µF/160V-Folienkondensators, dessen Entladezeit ausreichend lang ist. Der hat bestimmt so etwa 5 DM gekostet.

Übrigens: Ja: Durch Verkleinern dieses Kondensators könnte man die Erholungszeit verkürzen.

Bei späteren Automatik-Geräten von Grundig konnte man die Zeitkonstante von lang (Stellung "Musik") auf kurz ("Sprache") umschalten, aber auch die kurze Zeit umfasst immer noch etliche Sekunden.

Jedenfalls liegt in dieser langen Zeit bis zur Wiederanhebung des Pegels der Unterschied zu einer üblichen Kompressorschaltung, die nach dem schnellen Absenken genauso schnell wieder anhebt.

VG Stefan
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#12
Ich gehe davon aus, dass die Funtionsweise der Automatik in der Serviceanleitung M Automatc II beschrieben ist, leider hab' ich die nicht. Gefunden habe ich das Zeitdiagramm vom Transistorgerät M 203 automatic:
   
Einstellbar sind nur die Begrenzungspegel L/R, nicht die Zeitkonstanten.

Gruß
Wenni
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#13
Nach dem Diagramm ist die Zeitkonstante für die Erholungszeit zwischen Sprache und Musik umschaltbar.

MfG, Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#14
Ich danke Euch! Das ist wirklich mega interessant.

Auch die Idee von Stefan: "Durch Verkleinern dieses Kondensators könnte man die Erholungszeit verkürzen".

Dann habe ich in der Theorie jetzt ein Gerät, dass man auch als Limiter betrachten kann. Falsch ist demnach meine Vermutung, dass leise Töne unverzüglich "hochgeregelt" werden.

Was ich beobachtet habe: Erstaunlicherweise ist in der Solo-Gesangsspur selbst nach lauten Silben das Einatmen vor einer weiteren Silbe im Fluß des Gesangs zu hören. Dieses Geräusch ist doch recht leise. War ohne dieses modifizierte Gerät zuvor nicht wahrnehmbar für mich. Wieso ist es hörbar, wenn zuvor eine laute Silbe gesungen wird? Bei der sogenannten Erholungszeit der Automatik müsste doch nach laut super leise bis 0 Pegel folgen? Ich musste wirklich nichts mehr an dem Gesangspegel nacharbeiten. Das hatte ich noch nie. Deutsche Texte sind sperrig zu singen und meist wegen der Versändlichkeit kaum ohne "schrauben" an der Dynamik brauchbar in der Rockmusik.

Leider habe ich die Service-Anleitung im Mini-Studio liegen. Ich schaue morgen mal, was da so steht und mache eine Kopie. Auch frage ich den Techniker, der die Idee umgesetzt hat.

Viele Grüße und Dank!

Christian
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